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Bestatter Heigel: „Kompostieren könnte auch in Berlin ein Trend werden“

Der Berliner Bestatter Julian Heigel über Beerdigungs-Trends, Friedwälder und warum Berliner anders beerdigt werden wollen als andere Menschen in Deutschland.

Author - Marcus Weingärtner Marcus Weingärtner

Ein Ruheforst auf der Insel Usedom. In dem Ruheforst können einzelne Personen, Familien oder andere im Leben verbundene Menschen beigesetzt werden.

Ein Ruheforst auf der Insel Usedom. In dem Ruheforst können einzelne Personen, Familien oder andere im Leben verbundene Menschen beigesetzt werden. Imago Images

Dr. Julian Heigel ist auf Umwegen zum Bestatter geworden, zuvor hat der 41-Jährige Musik und Theologie studiert. Im Interview spricht er über seinen Berufsweg, alternative Arten der Beerdigung und den zunehmenden Wunsch nach individuell gestaltetem Abschied von Verstorbenen.


ZUR PERSON

Dr. Julian HeigelDr. Julian Heigel, Jahrgang 1980, hat Musik und Theologie auf Lehramt studiert, bevor er Bestatter wurde. Heigel ist der Gründer und Leiter des Bestattungsinstituts Thanatos – Selbstbestimmte Bestattungen in Berlin. thanatos-berlin.de

 


Herr Heigel, Sie sind ein Quereinsteiger und haben vor Ihrem Wechsel in die Bestatterbranche Theologie und Musik auf Lehramt studiert. Wie kam es zu diesem Wechsel in einen völlig anderen Arbeitsbereich?

Die beiden Fächer Musik und Theologie sind in ihrer Summe gar nicht so weit vom Beruf des Bestatters entfernt. Es war aber eher so, dass der Beruf mich gefunden hat und nicht andersherum. Ich hatte bereits von der Tätigkeit des alternativen Bestatters gehört und hab es mir angesehen und 2015 ein Praktikum bei einem Bestatter gemacht. Da ist mir dann klar geworden, dass ich Bestatter werden will.

Ist Berlin eine gute Stadt, um zu sterben?

Berlin verfügt über eine ganze Reihe an Ansprechpartnern, Hospizen und Einrichtungen der Palliativversorgung. Es gibt also eine Menge Angebote, die man sich allerdings auch oft selbst erarbeiten muss. Das heißt, wenn man in die Situation gerät, dass der Tod eines Angehörigen oder aber auch der eigene absehbar ist, gibt es Stellen und Institutionen, an die man sich wenden kann. Das muss man oft aber selbst angehen. Man könnte also schon sagen, dass Berlin eine gute Stadt zum Sterben ist. Aber eben auch eine Stadt mit viel Eigenverantwortung.

Unterscheiden sich die Bestattungswünsche in Berlin von denen in anderen deutschen Städten?

In Berlin gibt es traditionell viele Feuerbestattungen, während in Süddeutschland mehr die klassische Erdbestattung gewünscht wird. Was die Ausgestaltung der Trauerfeiern anbelangt, so kann man schon einen Trend zur Individualisierung feststellen, die hauptsächlich von den großen Städten in Deutschland ausgeht und somit auch von Berlin.

Wie sieht diese Individualisierung aus?

Die Trauergemeinschaften wollen oft keine Feiern mehr nach Schema F, also die klassische Feier mit Predigt und Traurede des Pfarrers, großen Kränzen am Grab oder Blumenschmuck auf dem Sarg und dem Ave-Maria zum Auszug. Die geistliche Begleitung ist heute gar nicht mehr von vorneherein gesetzt, sondern es wird vielmehr der Wunsch geäußert, die Feier frei zu gestalten. Die Leute entscheiden heute eher danach, wie sie das für sich persönlich als hilfreich und gut empfinden, wie so eine Trauerfeier abzulaufen hat, und nicht mehr nach Konfession und religiösen Aspekten.

Mit welchen Gestaltungswünschen treten denn Menschen in Berlin an Sie heran?

Für viele ist die Selbstbestimmung wichtig und die Tatsache, dass ihnen keine Autorität gegenübersteht, die ihnen sagt, wie man das zu machen hat, oder das schematisch abarbeitet, weil sich das eben so gehört. Trauerfeiern werden heute auch nicht mehr automatisch auf dem Friedhof abgehalten, sondern immer öfter da, wo sich der Tote gerne aufgehalten hat. Viele wünschen sich auch eine andere Anordnung der Stühle, also nicht mehr wie früher, wo man streng hintereinander gesessen hat und auf den Pfarrer gerichtet war, sondern öfter in einem Halbkreis um den Sarg zum Beispiel.

Was macht für Sie eine gute Bestattung aus?

Das gelacht und geweint wird. Eben dass allen Gefühlen, die vorhanden sind, Raum gegeben wird. Es ist nicht immer alles nur traurig, oft gibt es auch komische Momente oder lustige Situationen, an die man sich erinnert, das muss man nicht unterdrücken.

Heißt das, da hat eine Art Umdenken stattgefunden, wie man mit seiner Trauer umgeht?

Es gibt da sicherlich so eine Art gesamtgesellschaftlicher Bewusstwerdung, was die Selbstgestaltung eines solchen Abschieds betrifft und auch den Umstand, dass man sich da keinen Konventionen beugen muss, wovon es in Berlin ohnehin nicht so viele gibt.

Hat die Pandemie das denn verändert?

Der Bestattungsbranche hat die Pandemie auf jeden Fall einen Digitalisierungsschub gegeben, plötzlich muss man zum Beispiel Trauerfeiern veranstalten, die ins Internet übertragen wurden. Es gab auch große Berührungsängste mit Corona-Toten im wahrsten Wortsinne. Zu Beginn der Pandemie wusste man auch nicht so viel über das Virus, das hat sich mittlerweile geändert und kehrt zur Normalität zurück. Das kann sich aber natürlich wieder ändern im Herbst.

Abgesehen von den Trauerfeiern – wie haben sich die Bestattungen geändert?

Es gibt vermehrt den Wunsch, in der Natur bestattet zu werden, also beispielsweise in einem Bestattungswald, Friedwald ist da die am meisten vertretene Marke, und nicht etwa auf einem städtischen Friedhof. Die Urne wird dabei am Fuß eines Baumes beigesetzt und es gibt keine feste Kapelle, sondern nur einen Andachtsplatz, wo dann meist auch die Trauerfeier stattfindet. Es gibt auch danach keine sichtbare Grabstelle, sondern nur ein kleines Schild an dem Baum, das auf die umliegend Beerdigten hinweist. Das ist allerdings nicht die umweltfreundlichste Bestattungsmethode, weil die Feuerbestattung die Voraussetzung dafür ist. Ich finde es schade, dass der Trend von den Friedhöfen weggeht, ich finde, sie sind wichtige Orte in den Städten. So werden der Tod und die Trauer in einen Wald verlegt, der ja meist auch schwieriger zu erreichen ist als ein städtischer Friedhof. Friedhöfe können auch sehr schön sei wie beispielsweise der Alte St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg oder der Alte Luisenstädtische Friedhof auf der Bergmannstraße. Mein Geheimtipp ist der Friedhof Grunewald-Forst, sicherlich einer der idyllischsten Friedhöfe Berlins.

Ich hatte von einer sogenannten Kompost-Beerdigung gelesen. Was ist das und gibt es das in Berlin auch?

Der Körper wird dabei in einem Zeitraum von 40 Tagen in einem überirdischen Kokon zersetzt und am Ende bleibt nur die Erde übrig, die ist allerdings beisetzungspflichtig. Es gibt hier noch den Friedhofszwang. Soweit mir bekannt ist, gibt es dieses Verfahren in Berlin aber noch nicht. Aus ökologischen Gesichtspunkten ist das aber sicherlich die allerbeste Möglichkeit der Bestattung, es bleiben keine Rückstände, sondern nur die Erde. Das könnte schon ein Trend werden.